Bremervörder Zeitung vom 11.07.2015
TARMSTEDT. Ohne dass ihnen wie
sonst üblicherweise der Schweiß von der Stirn rann, verfolgten
gestern Vormittag gut 800 geladene
Gäste die Auftaktveranstaltung
im Festzelt. Als Schirmherr
der Tarmstedter Ausstellung
oblag es Landrat Hermann Luttmann,
die 67. Messe zu eröffnen.
Um 11.30 Uhr sprach er die Formel
und ließ sich dann die traditionelle
Erbsensuppe servieren.
„Der Norden trifft sich in Tarmstedt.“ Das gilt alle Jahre wieder
seit 1949 für vier Tage um das
zweite Juli-Wochenende herum. „Ein Satz, wie in Stein gemeißelt“,
stellte Moderator Dirk Böhling
fest und „schnappte“ ihn Bürgermeister
Wolf Vogel weg, der
ihn in seiner Begrüßung dennoch
wiederholte. In abgewandelter
Form fiel er dann ein drittes Mal: „Das Beste am Norden ist die
Tarmstedter Ausstellung“, hieß es
in einem kurzen den Gästen vorgeführten
Imagefilm.
Dirk Gieschen, Geschäftsführer
der Ausstellungs-GmbH, verwies
darauf, dass die Messe ein Wirtschaftsfaktor
für die Region sei
und dass sie präsentiere, was der
ländliche Raum zu bieten hat.
Und das sei eine Menge, wie die
700 Aussteller unter Beweis stellten. „Allein ein Blick auf die Gästeliste
genügt,
um die hohe Bedeutung
der
Ausstellung im
Elbe-Weser-
Dreieck zu verdeutlichen“,
unterstrich
Gieschen
vor den
rund 800 Vertretern
aus Politik, Wirtschaft, Verbänden
und dem ländlichen
Raum. Gleichwohl finde der ländliche
Raum in der Politik nicht
die ihm zukommende Beachtung,
beklagte Gieschen.
Auf die Frage des Moderators,
ob es angesichts dessen im Jahr
2030 die 82. Messe geben werde,
gab Tarmstedts Gemeindedirektor
Frank Holle zur Antwort, er sehe
keine Grund, um daran Zweifel
zu hegen. Das Interesse der Aussteller
wie der Bevölkerung sei
ungebrochen und die Ausstellung
werde laufend und vor allem behutsam
entwickelt – denn „die
Ausstellung ist eine spröde Dame“.
Von Dirk Böhling dazu befragt,
umriss Zevens
Landvolkvorsitzender
Rudolf
Heins die
schwierige wirtschaftliche
Situation
der Betriebe:
Nach
zwei guten Jahren
seien das
Melken und Schweinefüttern
2015 ein Zuschussgeschäft.
Mit Blick auf die Anfang des
Jahres gegründete branchenübergreifende
Initiative „Tierwohl“ zur Verbesserung der Haltungsbedingungen
für Schweine und Geflügel
betonte Heins, dass es den
Nutztieren in den Ställen heute „sehr viel besser
geht als noch
vor 20 Jahren“.
In modernen
Ställen fühlten
sich Kühe heute „fast wie auf der
Weide“.
Zustimmenden
Applaus
mochte Christina Jantz, die Tierschutzbeauftragte
der SPD-Bundestagsfraktion
aus Schwanewede,
dem Funktionär indes nicht
spenden. Sie sieht vielmehr noch
großen Handlungsbedarf. Insbesondere
gelte es, die Haltung von
Schweinen, Puten und Hähnchen
zu verbessern – und zwar in Kooperation
mit den Landwirten.
Der will sich das Landvolk nicht
verweigern, versicherte Heins, der
zugleich für mehr Sachlichkeit in
der Diskussion ums Tierwohl
warb. Denn die unqualifizierten
Anfeindungen von Fachfremden
empfänden Bauern als „unerträglich“.
Eine nüchterne unideologische
Sicht auf die Dinge bewies der
CDU-Landtagsabgeordnete
Hans-Heinrich Ehlen. „Wir brauchen
keine Agrarwende, wir
brauchen eine Verbraucherwende“,
propagierte er. Denn die
Landwirte produzierten das, was
die Verbraucher kauften.
Festredner Joachim Rukwied,
Präsident des Deutschen Bauernverbandes,
wies auf die nachhaltige
Arbeitsweise und den fundierten
Sachverstand der Landwirte
hin: „Die Bauernfamilien
haben sich aus eigener Initiative
heraus in ihrer Branche weiterentwickelt
und das Tierwohl stets
im Blick behalten. Wir arbeiten
nachhaltig und reden nicht nur.
Die Landwirte stellen sich den
Diskussionen und sind bereit, zusammen
mit Politik und Gesellschaft
die notwendigen
Dinge
weiterzuentwickeln“,
erklärte
der Festredner
weiter.
An vier Messetagen
präsentieren
sich in Tarmstedt
rund 700
Aussteller. Auf dem 180 000 Quadratmeter
großen Gelände dreht
sich bis einschließlich Montag jeweils
von 9 bis 18 Uhr alles um
Landwirtschaft, Tierzucht und
Erneuerbare Energien.
Ergänzende Angebote für
Haus, Garten und Freizeit sowie
ein umfangreiches Rahmenprogramm
mit Fachvorträgen und
Showeinlagen auf dem Tierzuchtgelände
machen die Tarmstedter
Ausstellung zu einem Ereignis für
die ganze Familie. Die Ausstellungsleitung
erwartet bis zu
100 000 Besucher. (zz/tk/bz)
Hans-Heinrich Ehlen und Bauernpräsident Joachim Rukwied (rechts)
sind sich einig: Debatten über Landwirtschaft würden zu oft ideologisch
geführt.
Rund 800 Gäste verfolgten gestern im Festzelt die Eröffnungsfeier zur 67. Tarmstedter Ausstellung.
Fotos: zz/Kratzmann