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Gastkommentar im  Sonntagsjournal der Zevener Zeitung am 17.02.2013

Einer kocht immer!

Liebe Leserinnen und Leser,
Sie sitzen vor dem Fernseher mit der Fernbedienung in der Hand und zappen sich durch Programme und Sender. Was stellen Sie fest? Einer kocht immer. Was sich besonders auch in den hohen Einschaltquoten für diese Sendungen niederschlägt. Ob Lichter, Henssler, Schuhbeck, Mälzer oder wie sie alle heißen, sie ziehen Frau und Mann in ihren Bann. Als einstmals zuständiger Minister für Ernährung und Verbraucherschutz versucht man natürlich, dieses Phänomen zu ergründen. Das Interesse an Nahrung und deren Zubereitung liegt schon in Urzeiten begründet. Ganz oben in der menschlichen Bedürfnispyramide ist das alltägliche Sattwerden angesiedelt und als Überlebensfaktor Nummer eins zu sehen. Wer nichts zum Essen bekommt, ist dem Tode geweiht und verhungert. Als nächstes folgen die Gier nach einer Behausung und das Bedürfnis nach Sicherheit.
Wenn wir uns nun die Listen der Zutaten dieser Fernsehkochs ansehen, dann haben wir die ganze Welt auf dem Tisch. Vom südamerikanischem Rindfleisch über asiatische Gewürzspezialitäten bis hin zu Obst und Gemüse aus aller Herren Länder.
Unsere Vorfahren hatten es da einfacher, sie bedienten sich der Dinge, die im Stall und im Gemüsegarten zu haben waren. Lediglich Salz und etwas Pfeffer wurden zugekauft, die anderen Geschmacksträger waren eigene Petersilie, Porree, Dill und einige selbst angebaute Exoten.
Kritiker unserer Ernährungsvielfalt sagen, wir essen zu viel Fleisch, wir essen zu fettig und zu unregelmäßig. Außerdem kommt der Vorwurf, wir werfen zu viel Lebensmittel weg, leben im Überfluss und denken nicht an die 900 Millionen Erdenbürger, die hungern oder nicht satt werden. Eine Reihe von Zeitgenossen haben auch schon die Schuldigen ausgemacht, die Agrar- und Ernährungswirtschaft, vom Bauern bis zur Ladentheke sind die Übeltäter. Sie sollen gefälligst weniger und gesündere Nahrungsmittel liefern. Diese „Gutmenschen“, die hier mit dem Finger auf andere zeigen, vergessen, dass sie und unsere Gesellschaft als Verbraucher bestimmen, was in unseren Läden und Supermärkten angeboten und verlangt wird. Die Marktleiter ordern von den Produkten am meisten nach, von denen am meisten gekauft wird. Bauern und die Hersteller von Nahrungsmittel produzieren nur das, was der Verbraucher kauft und verzehrt. Sicher ist es ein Verlangen, die Zusammenhänge der Nahrungsmittelproduktion der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen, weil die Bindung der Bevölkerung an die Land- und Ernährungswirtschaft in großen Teilen verloren gegangen ist. Eine Umerziehung der Verbraucher muss jedoch über andere gesellschaftliche Kanäle laufen, als über die hier kritisierten Produzenten. Wenn der Markt andere Produkte verlangt, werden diese produziert und geliefert. Hier ist unsere nach neuesten Erkenntnissen aufgestellte Landwirtschaft sehr schnell in der Lage, zu reagieren. Als Beispiel sei hier die noch Nischenproduktion für sogenannte Bioprodukte genannt. Trotz größter Anstrengungen und medialer Unterstützung treten wir hier mit ca. 6% fast auf der Stelle, weil die große Masse der Verbraucher die Bioprodukte zwar gut findet, aber wenn man sich die Einkaufswagen ansieht, dort meist nur die kostengünstigeren konventionellen ähnlich guten Waren zu finden sind. Ein Nahrungsmittelproduzent darf nicht am Markt vorbei produzieren, sonst macht er schneller Pleite, als er denken kann.
Außerdem werden von den „Gutmenschen“ die Schuldigen für viele Probleme der Welt in der Nahrungsmittelproduktion gesucht. Von der Veränderung des globalen Klimas, die CO2 Anreicherung der Atmosphäre, vermehrten Unwetterkatastrophen bis hin zum Seehundsterben, der Vogelgrippe und anderen unangenehmen Zeiterscheinungen, zunächst haben die Bauern die Schuld. Das dies  eine Gefahr für die Infrastruktur unseres Landes ist, wird oft ignoriert. Junge Menschen überlegen es sich zweimal, ob sie zeitlebens Prügelknaben der Gesellschaft sein wollen, angefüllt mit Achtzig-Stunden-woche, wenig Urlaub und Freizeit, oder einen Beruf mit der halben und bequemeren Arbeitszeit ergreifen. Wenn wir heute im Durchschnitt 80 ha große  Betriebe in Niedersachsen als Vollerwerbsbetriebe haben, werden es in gut dreißig Jahren Betriebsgrößen von über 200 ha sein, weil es nicht mehr ausgebildete Bauern gibt. Es ist bei dem derzeitigen Umfeld auch nicht ersichtlich, wo wir mehr Landwirte herbekommen sollten. Die derzeitigen Ausbildungszahlen geben nicht mehr her. Die Fernsehsendungen mit den meisten Einschaltquoten werden dann nicht  mehr die Kochsendungen oder „Bauer sucht Frau“ sein, sondern „Bauer, bitte melde dich“.
Lassen Sie sich den Sonntagsbraten von mir nicht verderben, ich wünsche Ihnen Allen einen guten Hunger und guten Appetit.

Hans-Heinrich Ehlen

Mitglied des Nieders. Landtages

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