Aktuelles aus der Region

zurück

Zevener Zeitung vom 09. November 2009

Vom Bauern zum Manager

Minister Ehlen setzt auf Betriebswirtschaft und modernes Marketing

Neuen Herausforderungen stellen

SELSINGEN. Die Finanz- und Wirtschaftskrise geht auch an der Landwirtschaft nicht spurlos vorüber. Sinkende Verbrauchernachfragen und niedrigere Erzeugerpreise stellen zusammen mit zurückgegangenen Erlösen etliche Betriebe vor ernsthafte Liquiditätsprobleme. Seit langem ist der Abwärtstrend auch in Niedersachsen spürbar. Wie kann die Politik im Sinne einer nachhaltigen Stärkung der Landwirtschaft helfen?

Über dieses Thema referierte Hans-Heinrich Ehlen am Freitag vor vielen Landwirten sowie Gästen aus Politik und Wirtschaft im „Selsinger Hof“. Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung sprach auf Einladung der „Initiative für evangelische Verantwortung in der Wirtschaft Mittel- und Osteuropas“.
Wir müssen die von unseren Vorfahren geschaffenen Werte erhalten und Natur und Umwelt so nutzen, dass sie auch für nachfolgende Generationen zur Verfügung stehen“, mahnte Ehlen. Artenvielfalt und Klimaschutz gehören hierzu ebenso wie die Pflege von Kultur- und Landschaftsräumen. Landwirte seien schon lange keine reinen Bewirtschafter von Acker- oder Grünlandflächen mehr, sondern würden heute vielmehr häufig auch als Landschaftspfleger verstanden.
„Ich denke dabei besonders an die verschiedenen Naturschutzprogramme oder an   Agrarumweltmaßnahmen, an denen niedersächsische Landwirte teilnehmen“, sagte Hans-Heinrich Ehlen. Besonders mit den „Grünlandmaßnahmen“ würden gleichermaßen Umwelt- und Einkommensziele verfolgt.
„Auch niedersächsische Landwirte müssen sich neuen Herausforderungen stellen“, ließ der Minister keinen Zweifel an die Notwendigkeit einer Wirtschaftsweise, welche die dauerhafte Existenz der Betriebe sichere. Ehlen appellierte an die Betriebsinhaber, ihr Denken und Handeln mehr „unternehmerisch“ auszurichten. „Frühzeitige Planung, relevante Entwicklungen frühzeitig erkennen und möglichst immer einen Schritt voraus sein,  müssten es dem Landwirt ermöglichen, seine ganz persönlichen Zukunftsvisionen und -strategien erfolgreich umzusetzen“, forderte Ehlen zu mehr Handeln als Unternehmer auf.

     „ In Deutschland haben wir die sensibelsten Verbraucher der Welt“
-
 MINISTER HANS-HEINRICH EHLEN    -

„ Landwirte müssen heute alles in allem Unternehmer sein, um ihren Betrieb künftig sicher durch alle Stürme steuern zu können“, prophezeite der Landwirtschaftsminister. Er rief  dazu auf, neue Produktionstechniken zu nutzen, Absatz- und  Beschaffungsmärkte sorgfältig zu beobachten und gute Verträge abzuschließen. „Moderne Landwirte müssen die Betriebswirtschaft im Griff haben und zum Beispiel von neuen Produktionstechniken profitieren“, sagte Ehlen.
Zum marketingstrategischen Denken und Handeln gehöre auch eine erfolgreiche Kommunikation mit Banken, Vertragspartnern, Mitarbeitern und Verbrauchern. „Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind beständig im Wandel“, konstatierte der Minister und stellte trocken fest: „In Deutschland haben wir schließlich die sensibelsten Verbraucher der Welt“.
Führt der Wandel „vom  Landwirt zum Unternehmer“ aber automatisch zum Erfolg?    So einfach sei ein Weg aus der Krise sicher nicht, meinte Hans-Heinrich Ehlen. „Inzwischen wurden zwar von Abnahmeverträgen bis zu Warenterminbörsen eine Reihe geeigneter Maßnahmen ins Leben gerufen, um eine weitere Talfahrt der Preise zu stoppen. Die Landwirtschaft allein kann diese Aufgabe allerdings nicht bewältigen. Hier sind künftig mehr und mehr Gemeinschaften wie zum Beispiel Erzeugergemeinschaften gefragt“.
Bei allem Ernst des Themas ließ der Minister, der zwei Tage zuvor Gespräche in der niedersächsischen Landesvertretung der Europäischen Union in Brüssel geführt hatte, zwischendurch seinen bekannten Humor wieder aufblitzen: “Nach dem Verlust der Deutschen Fußballmeisterschaft will ich die Bayern nicht noch mehr ärgern, aber:    Niedersachsen ist das Agrar- und Ernährungsland Deutschlands mit der höchsten Wertschöpfung. Mein Ministerium hat jetzt die Aufgabe, vor dem Hintergrund tech-nischer Fortschritte und wechselnden Marktlagen, eines internationalen Wettbewerbes und dem Klimawandel entsprechende politische Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft sinnvoll zu gestalten“.
Im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen habe man so unter anderem erreicht, dass das erfolgreiche und von Niedersachsen immer unterstützte Liquiditätsprogramm um zwei weitere Jahre fortgesetzt werde. Der Bund stelle hierfür rund 50 Millionen Euro zur Verfügung. Davon würden etwa acht Millionen Euro an niedersächsische Landwirte fließen, um kurzfristig Liquidität herzustellen.
Nicht zuletzt mache der Koalitionsvertrag deutlich, dass sich die neue Bundesregierung zu einer starken und wettbewerbsfähigen Land-, Forst-, Fischerei- und Ernährungswirtschaft bekenne, sagte  Ehlen.  Niedersachsen als „Agrarstandort Nr. 1“ werde davon profitieren: Die Landwirtschaft in unserem Bundesland könne damit rechnen, dass sie in den nächsten Jahren um rund 190 Millionen Euro entlastet und damit in ihrer Wettbewerbsfähigkeit und  auf den weltweiten Agrarmärkten deutlich gestärkt werde.
Eine klare Absage erteilte Ehlen dagegen der Abschaffung von Prämienzahlungen: „Wenn man bedenkt, dass 2009 allein 58 Prozent der Einnahmen unserer Landwirte aus Prämien bestehen, ist die Forderung nach deren Abschaffung absolut unsinnig“.
Der Minister machte aber auch Mut: „Das Wirtschaftsumfeld hat sich durch die fortschreitende Globalisierung  grundlegend gewandelt Wir müssen uns den damit verbundenen Herausforderungen stellen und können uns so wenig wie jedes andere Land der Welt aus der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise einfach auskoppeln. Wir brauchen jetzt zunächst einmal Stabilität. Dann aber wird sich auch in Niedersachsen die wirtschaftliche Entwicklung mittelfristig wieder positiv gestalten“.

zurück