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Kolumne für die Bremervörder Zeitung am 25. Oktober 2003

Das Ruheloch

Liebe Leserinnen und Leser,

draußen ist Herbst - und von ungewöhnlichen Geräuschen wird der Bürger derzeit aus dem Bett geholt. Auch den ganzen Tag über vernimmt er Lärm, der an startende Düsenflugzeuge, Kleinwagen ohne Auspuff oder donnernde Panzerkolonnen erinnert. Dem Krach nachgegangen zeigt sich erstaunliches: Auf dem Rücken getragen oder auf Rädern montiert schiebt ein Gärtner, oder einer der zumindest so aussieht, eine heulende Turbine über die Grünflächen der Städte. Bei näherer Betrachtung löst sich dann auch die Frage nach dem Sinn des Ganzen, es ist ein Laubpuster! Von einem kleinen Motörchen angetrieben wird mächtig viel Wind produziert. Damit bläst der Grünflächenbeauftragte jedes noch so kleine vom Baume gefallene Herbstblättchen auf einen Haufen. Von dort geht es auf den Laster und ab damit. Wohin? Nach dem Einsatz von Benzin für den Puster und von Diesel für den Laster vermutlich auf einen ökologischen Großkompost. Sicher hätte der ein oder andere Regenwurm gerne dieses Blatt zu Humus verarbeitet, auch unsere so geliebten Igel suchen im Herbst im Laub gerne nach Kleingetier um über den Winter zu kommen. Warum also Laubpuster, rollende, fahrbare, tragbare? Na ist doch logisch, um das Ruheloch zu stopfen! Im Frühjahr Baumschnitt, dann Motorhächsler, gefolgt vom Rasenmäher. Im Sommer hochtourige japanische Motorräder, gefolgt vom Rettungswagen und wieder Rasenmäher. Der frühe Herbst bringt Motorsägen und Heckenscheren. Wenn nun im Winter noch kein Schnee gefallen ist kann der maschinengetriebene Schneeschieber noch nicht zum Einsatz kommen. Hier drohte das Ruheloch! Mehrere Wochen kein Lärm zur Pflege unserer städtischen Natur, wie soll der Bürger das aushalten? Und so schuf die Industrie den Laubpuster, alles versicherungssicher sauber und ohne nervtötende Stille. Natürlich wollen die meisten Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Dörfern eine gepflegte, also eine menschengemachte, Natur. Trotzdem suchen die Menschen doch gerade hier ihre Ruhe. Wo sonst? Sonntags oder nach Feierabend mit der Familie in den Park oder in den Wald - der Ruhe wegen - und nicht weil man dort so schön die Autobahn hören kann. Aber auch hier ändert sich das Bild. Kaum ein Jogger in der Feldflur ohne Walkman, kaum ein parkendes Auto auf dem Rastplatz ohne laufendes Radio. Aber zurück zum Laubpuster um den es ja eigentlich gar nicht geht, der nur ein Symbol für das wirkliche Problem ist: Uns geht Stück für Stück die Ruhe verloren. Mal etwas nicht zu hören, mal etwas nicht sagen zu müssen, eine Maschine mal ausgeschaltet zu lassen - das ist wirkliche Lebensqualität.

In diesem Sinne wünscht Ihnen ein geruhsames Wochenende

Hans- Heinrich Ehlen

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